Ausstellung

April

Es begegnen sich vor dunkelblauer Gebäudefassade zwei außerirdische Wesen. Ausgelöst erscheint die Begegnung durch das Erblühen von Tulpengewächsen. Diese wachsen auf beiden Seiten der Fassade empor, die von Spiralbändern mit vierfachem filigranen Dekor bekrönt ist.
Das linke Wesen, dem Reiz der Blüten verfallen, hat eine von ihnen abgeknickt. Deutlich sind Spuren der Verletzung am Fassadenrand verblieben. Ein brauner Pflanzenstiel sowie Risse an den Blütenblättern weisen andererseits auf das naturbestimmte Ende dieser Gewächse hin.
Das rechte Wesen folgt dem Zeichen am Dachdekor der Fassade. Es öffnet sein blaues Gewand und zeigt seine innere Erbauung. Der irdische Lebenssaft der rechten Pflanzen ist nicht unterbrochen. Er strömt im blauen Filigran-Ensemble zu den Blüten empor. Gleichzeitig begrenzt dieses Wesen den vom Gewand umschlossenen Innenraum. Dort erfüllen in Tulpenrot gekleidete Engel das Areal mit Streichermusik und begleiten so die zeitliche Begrenztheit innerer Verzückung.
Zu Füßen beider Gestalten steht ein geheimnisvolles Behältnis. Es wiederholt Merkmale der blauen Gebäudefassade: die Pflanzensymbole auf den verschlossenen Portalflügeln und, ineinander verdreht, die Spiralbänder als Bedachung. Der über dem Portal befindliche Raum birgt als verheißungsvolles Chaos die Zeichen latenten Lebens als Blau, Violett und ein wenig Weiß, doch ohne Spur von Rot.
Offenbar entsendet dieses Behältnis gelegentlich ein Signal. Zum Zeitpunkt der Begegnung beider dargestellter Wesen ist es als Finesse einer violetten ›Rosette‹ auf schwarzem Stiel mit lichtweißer Umrahmung vorhanden. Es trennt beim Aufwärtsstreben parallele Seins-Zustände auf irdischen Pfaden.

Almuth Müller-Suur. Januar 2006


Ohne Titel, um 1921      
Gouache; 32,8 x 21 cm      
Hamburger Kunsthalle      
 Ohne Titel, um 1921, Gouache; 32,8 x 21 cm, Hamburger Kunsthalle